Zu Unrecht kaum
beachtet: Über die Bedeutung der Serviette
Ich gebe offen zu, in
machen Punkten mag man meine Einstellung als verschroben bezeichnen, wenn man
die Welt aus der Sicht der modernen Gesellschaft das anbrechenden 21.
Jahrhunderts betrachtet. Mag sein, daß ich altmodisch bin, vielleicht gibt es
aber auch manche Dinge, die es wert sind, konservativ - also bewahrend - gesehen
zu werden.
Dazu zählt in meinen Augen auch die gute alte Serviette.
Serviette - was ist
das?
Der Brockhaus
bezeichnet sie als Mundtuch, ein kleines, ursprünglich leinenes Beituch zum
Tischtuch des Eß- oder Kaffeetisches zum Schutz der Kleidung und Säubern der
Lippen vom Essen; neuerdings [1935] viel durch die Papierserviette verdrängt.
Diese Definition klingt ziemlich antiquiert, am Kern der Sache ändert sich
dadurch allerdings nichts: Nach wie vor hat die Serviette ihre
Existenzberechtigung - auch wenn kaum noch jemand weiß, wie sie zu benutzen ist.
Dabei kann sie auf eine wahrhaft ehrwürdige Tradition zurückblicken. Schon den
Römer war die Serviette (mappa) bekannt, in Deutschland ist sie seit dem
ausgehenden Mittelalter in Gebrauch. Im 17. Jahrhundert - damals noch als "Fatscheinlein"
bezeichnet - begann man auch schon damit, sie nach Anweisung der
Trenchier-Büchlein in kunstvolle Formen wie Fächer oder aber auch Schiffe zu
falten.
Genug des historischen
Abriß' - wie ist es nun heute um die Serviette bestellt?
Es soll tatsächlich auch noch gegenwärtig Leute geben, die beim Essen kleckern.
Ich gehöre dazu. Leider. Aber ich schütze mich - mit der Serviette. Und die
gehört - sieht man es in einschlägigen Lokalen von Zeit zu Zeit auch anders -
noch immer auf den Schoß. Und das so gefaltet, daß man etwa ein Drittel bis ein
Viertel an der zum Bauch hinzeigenden Seite umschlägt. Im Hemd hat sie also
nicht der Geringste verloren - sonst hieße sie wohl auch Latz. Als Gegenargument
bekomme ich oft zu hören, daß sie aber nur auf dem Oberkörper einen Sinn hätte,
denn nicht die Hose oder der Rock, sondern die Obertrikotagen wären
hauptsächlich fleck-anfällig. Dieser Standpunkt mag hingegen nicht zu
überzeugen. Auch wenn ich hier schon wieder abdrifte: Man beschmutzt nicht das
Hemd, wenn man gerade am Tisch sitzt...von Damen mit einer Körbchengröße ab DD
mal abgesehen... ;-)
Wie benutzt der
geflissene Weltbürger nun also die Serviette?
Wohin sie gehört, habe ich schon gesagt. Durch ihre "Auffangfunktion" ist sie
deswegen eigentlich in Dauergebrauch während des Speisens. Dazwischen nimmt man
sie aber auch auf, um die Lippen von Essensresten zu befreien, die dort nicht
hingehören. Aber Achtung: Tupfen, nicht Wischen heißt hier die Devise. Mehrfach
angesetzt ist der Erfolg dabei der gleiche. Außerdem greift man zu ihr, wenn man
während des Essens trinken möchte, und zwar sowohl bevor man das Glas ansetzt
als auch danach. Hier kommt nun auch die erwähnte Faltung zum Tragen. Man tupft
mit dem umgeschlagenen Drittel bzw. Viertel -.dadurch bleibt die Hose auch nach
Zurücklegen der Serviette in den Schoß sauber.
Verläßt man während des Essens den Tisch (beispielsweise zwischen den
verschiedenen Gängen um die Notdurft zu verrichten *smiles*), dann legt man die
Serviette links neben das Gedeck, nachdem man sie zuvor etwas zusammengefaltet
hat. Nach der Mahlzeit gehört sie ebenfalls dorthin, in meinen Augen nur grob
gefaltet, manch einer liebt es aber auch exakt - niemals jedoch geknüllt. (Anm.:
Ich rede hier über Stoffservietten, wie sie eigentlich der Standard sein
sollten. Anderes gilt für Papierservietten, die man nach Benutzung auch
"knüllen" darf.)
Was sagt die Serviette
über das Lokal aus?
Immer zu finden (es
sei denn, man besucht wirklich die aller letzen Kaschemmen) sind Servietten in
öffentlichen Lokalen, Gaststätten und Restaurants. Ob aus Gewohnheit, oder weil
es zum guten Stil gehört vermag ich nicht einzuschätzen; Letzteres erscheint mir
manchmal, wenn man das zugehörige Personal beim Bestellen kennengelernt hat,
allerdings abwegig.
Entscheidendes Qualitätskriterium ist das Material der Serviette. Die gemeine
Stoffserviette scheint zunehmend vom Aussterben bedroht, auch wenn es mir
zumindest fragwürdig erscheint, daß Papierservietten auf Dauer kostengünstiger
sein sollen, als das Waschen der Stoffservietten. Weil dem aber so ist, ist das
Vorhandenseiten von Stoffservietten ein guter Indikator für Lokalitäten der
gehobenen Stufe. Sind diese dann auch noch sorgfältig - liebevoll, aber nicht
kitschig, geformt und gut gestärkt, kann man sich nahezu sicher sein, auch von
den angebotenen Gerichten nicht enttäuscht zu werden.
Was soll das nun
alles?
Ich appelliere hiermit
an meine Mitmenschen: Greift wieder zur Serviette. Sie ist Merkmal einer
gewissen Erziehung und von Anstand gleichermaßen wie ein praktisches Utensil.
Bei minimalem Aufwand maximaler Erfolg. Versucht es doch einfach einmal.
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